08.03.22

Der Geheimtipp: Leicaflex

Kleinbild-Spiegelreflexkameras hat Leica zwischen 1965 und 2009 produziert, zunächst unter der Bezeichnung Leicaflex, später dann das R-System.

Die SLRs halfen Leica in den 1970er-Jahren das ins Straucheln gekommene Geschäft mit M-Leicas zu kompensieren, seit den 1980ern geht eine Reihe herausragender Objektive auf diese Systeme zurück. Insgesamt war es aber kaum mehr als ein Intermezzo, da die späteren Modelle nicht mehr mit der Konkurrenz Schritt halten konnten.


Im Vergleich etwa zur Leica M sind die Leicaflex-Kameras nach Ansicht der Experten von Leitz Photographica Auction in Wien derzeit unterbewertet. Dort könnte sich eine Investition ganz besonders lohnen.

Spiegelreflexkameras – bei Leica haben sie stets im Schatten der ebenso zeitlosen wie erfolgreichen M-Leicas gestanden. An diesem Bild haben auch die Erfahrungen der 1970er-Jahre kaum etwas geändert. Profis und anspruchsvolle Amateure – daran gab es in Wetzlar kaum einen Zweifel – fotografierten und fokussierten mit den kompakten Messsucherkameras, die Spiegelreflextechnologie hielt man für eine vorübergehende Erscheinung. Ganz ähnlich erging es den Ingenieuren bei der Einschätzung einer weiteren Schlüsseltechnologie, dem Autofokus, doch das sollte erst sehr viel später relevant werden.

Die frühen 1960er-Jahre, sie waren eine Zeit des rasanten technologischen Fortschritts. Leitz hatte seine liebe Mühe, nicht den Anschluss zu verpassen und so stieß die erste Spiegelreflexkamera von Leica auf einen Markt, der unter Profifotografen bereits von der Nikon F, bei den Amateuren von Modellen von Canon und Pentax dominiert wurde. Eine erste Antwort darauf fand Leitz 1965 mit der Leicaflex, von der rund 37.500 Kameras produziert wurden. Etwa 1.000 davon schwarz lackiert, der deutlich größere Teil wurde in Chrom ausgeliefert. Heute stehen gerade die wenigen noch erhaltenen schwarz lackierten Modelle im Interesse der Sammler, wenngleich sie aktuell nur einen Bruchteil dessen erlösen, was etwa eine schwarz lackierte M erzielt.


Die Patina der Black-Paint-Modelle übt auf Sammler eine ganz besondere Anziehungskraft aus. Im Unterschied zu den M-Leicas sind die Leicaflex-Kameras aktuell aber noch deutlich erschwinglicher. Bei Sammlern in aller Welt sind vor allem die 1.000 schwarz lackierten Leicaflex-Modelle der ersten Stunde begehrt.

Vor dem Hintergrund, dass es deutlich weniger schwarz lackierte Leicaflex als schwarz lackierte Leica M3 gibt, halten wir die Preise für die schwarz lackierten Leicaflex für stark unterbewertet,

heißt es aus Kreisen von Leitz Photographica Auction. Ein echter Geheimtipp also?

Nach dem Marktauftritt der Leicaflex sollte es Schlag auf Schlag gehen, so wurde nur drei Jahre nach der ersten Spiegelreflexkamera von Leica die SL vorgestellt. Ihre entscheidende Neuerung war die Lichtmessung durch das Objektiv, TTL, bei der das montierte Objektiv und gegebenenfalls Filter bei der Belichtungsmessung berücksichtigt werden. Ein weiteres Jahr später folgte die SL Mot mit motorisiertem Filmvorschub und 1972 ein Sondermodell anlässlich der Olympischen Spiele in München. 1.200 Modelle davon brachte Leica auf den Markt, mit den Olympischen Ringen und der Jahreszahl 72.


Eine Rarität: Von der Leicaflex SL brachte Leica anlässlich der Olympischen Spiele in München ein Sondermodell mit den Olympischen Ringen und der Jahreszahl 72 auf dem Sucherbuckel heraus. Die Auflage lag bei 1.200 Exemplaren.

Die Leicaflex SL2 von 1974 galt als Höhepunkt der von Leitz entwickelten und selbst produzierten mechanischen, halbautomatischen Spiegelreflexkameras. Doch das Unternehmen stand vor der Wahl, sich in Zukunft für ein kompaktes oder ein vielseitigeres und anspruchsvolleres System zu entscheiden. Die Strategie orientierte sich an den Erfahrungen der M-Leicas und setzte auf ein reduziertes, geradliniges Konzept. Dem damaligen Mehrheitseigner, dem schweizerischen Konzern Wild Heerbrugg, hat es wohl auch am echten Interesse an der traditionsreichen Fotosparte gemangelt, denn aus heutiger Sicht ist die Ära des Leica Spiegelreflexengagements auch eine Geschichte ungenutzter Chancen.

Die Ära der Leicaflex-Kameras sollte 1975 mit zwei weiteren Modellen enden: einem auf 1.750 Kameras limitierten Sondermodell der SL2 anlässlich des 50. Jubiläums der Vorstellung der Leica I auf der Leipziger Frühjahrsmesse und der SL2 Mot, die schon wie zuvor die SL Mot mit einem motorischen Filmantrieb ausgestattet war.

Zwischen 1976 und 1978 hätte Leica mit einem funktionierenden Autofokussystem einmal mehr als Pionier den Kameramarkt revolutionieren können.

Doch man hat das Patent an Minolta veräußert, ein Unternehmen, das schließlich mit der 7000 AF in der gehobenen Mittelklasse punkten konnte. Die 7000 AF war die erste Spiegelreflexkamera mit einem praxistauglichen Autofokus. Wir schreiben das Jahr 1985, später sollten noch die 9000 AF für Profis und die 5000 AF für Amateure folgen. Leica ging nicht ganz ohne Profit aus der Kooperation heraus, und konnte auf einige Objektivrechnungen von Minolta zurückgreifen.

Nach der Leicaflex stellte das Unternehmen mit der R seine neues Spiegelreflexsystem vor, entwickelte sich damit aber immer mehr zum Nischenanbieter. Der Technologievorsprung der Mitbewerber war einfach zu groß und man hatte die Wünsche der Zielgruppe nach innovativen Technologien einfach falsch eingeschätzt. Das R-System erlebte 2009 ein letztes Aufbäumen mit dem Digital-Modul R (DMR) für die R8 und R9, die komplette Reihe sollte aber schon bald nach der Jahrtausendwende eingestellt werden.

Heute sind bei Sammlern vor allem die 1.000 schwarz lackierten Leicaflex Kameras der ersten Stunde begehrt. Aktuell aber wohl eher als Anlageobjekt, denn unter Fachleuten ist man sich einig, dass diese seltenen Modelle im Vergleich zu den schwarz lackierten M-Leicas tatsächlich unterbewertet sind.


Fotos: Leica Camera / Leitz Photographica Auction
Text: Tobias F. Habura-Stern / LFI Leica Fotografie International