01.02.23
Leica – klares Bekenntnis zum Vintage-Markt
Vor dem Raunen und einem kurz aufflammenden Applaus bestimmen Stille und Anspannung die Atmosphäre im Saal.
Einzig die klare, feste Stimme des Auktionators ist zu hören … und natürlich der Schlag des Hammers:
zum Ersten,
zum Zweiten
und zum Dritten!
In den letzten Jahren verzeichnen die Auktionatoren Leitz Photographica Auction in Wien ein Rekordergebnis nach dem anderen.
Besonders begehrt sind aktuell die raren Leica Kameras der 0-Serie, von denen es weltweit vermutlich nicht mehr als ein Dutzend Modelle gibt. Ganz genau kann das keiner sagen, da nicht eindeutig geklärt ist, wie viele der Prototypen tatsächlich gebaut wurden und erhalten blieben. Dr. Andreas Kaufmann spricht von 23 produzierten Exemplaren, von denen im Juni 2022 in Wien ein ganz besonderes Exemplar – die Nr. 105 von Oskar Barnack selbst – unter den Hammer gekommen ist.
LEICA 0-SERIES NO.105 'OSCAR BARNACK'
HAMMERPREIS 14.400.000,00 inkl. Premium
„Das ist ein magischer Schritt“
äußerte der erfahrene Auktionator Wolfgang Pauritsch bereits beim Überschreiten der 4-Millionen-Euro-Marke für das Los mit der Nr. 5, der 0-Serien-Kamera von Oskar Barnack. Längst war der Rekord eingestellt, und der Prototyp damit die teuerste Kamera der Welt. Zu diesem Zeitpunkt wurde bereits in 500.000-Euro-Intervallen geboten.
Bei 7 Millionen die Prophezeiung des Auktionators: „Das wird ein langer Tag!“ Ein kurzes Raunen geht durch den Saal, und schon wird der Bietergefecht fortgesetzt. Ab 10 Millionen geht es sechsstellig weiter … den Zuschlag erhält schließlich ein Bieter aus dem asiatischen Raum für 14,4 Millionen Euro inklusive Käuferpremium.
Die Spannung im Saal löst sich in einem tosenden Applaus.
Es war übrigens die 40. Leitz Photographica Auktion im 20. Jahr des Wiener Auktionshauses. Wir sprachen mit Alexander Sedlak, dem Direktor von Leitz Photographica Auction, über die 0-Serie und weitere rekordverdächtige Modelle und hakten nach, ob und wenn wie planbar ein Wertzuwachs oder eine mögliche Wertanlage im Sammlerumfeld wirklich sein können.
Wir möchten außerdem wissen, warum sich Leica zusätzlich zum Neugeschäft im Vintage-Markt engagiert, statt sich wie viele andere Kamerahersteller weitgehend auf den Handel mit aktuellen Modellen zu konzentrieren, für die es – zumindest bei Leica – aufgrund der hohen Nachfrage derzeit sogar eine Warteliste für bestimmte Kameras gibt.
Alexander Sedlak, Direktor von Leitz Photographica Auction, im Gespräch über die Bedeutung des Vintage-Markts für Leica.
Interview
LFI
14,4 Millionen Euro für eine Kamera – ein Weltrekord mit Signalwirkung für den Vintage-Markt? Was bedeutet dieses Ergebnis für Sie und ihr Team?
Alexander Sedlak
Director Leitz Photographica Auction
Dass wir im Rahmen unser Jubiläums-Auktion Oskar Barnacks persönliche Kamera versteigern durften, einen Prototyp jener Kamera-Generation, die Mitte der 1920er-Jahre den Grundstein für die moderne Fotografie legte, war uns eine besondere Freude.
Bereits im Oktober 2020 öffnete der Leica Classic Store im Leitz-Park Wetzlar mit gläserner Customer-Care-Werkstatt, in Wien sind die Kollegen bereits länger aktiv, und es sollen nicht die einzigen Standorte bleiben. Welche Bedeutung spielt das im Geschäftsmodell von Leica?
Derzeit gibt es weltweit zwei Leica Classic Stores, einen in Wetzlar und einen in Wien. Beide verfügen, neben zahlreichen geprüften Leica Vintage-Kameras und gebrauchten Modellen, über einen angegliederten Customer-Care-Bereich, in dem historische und gebrauchte Leica Produkte überholt oder repariert werden. Aufgrund der hohen Nachfrage werden wir im Laufe dieses Jahres weltweit in all unseren Leica Stores gebrauchte Leica Produkte ankaufen und nach gründlicher Überprüfung durch unseren Customer Care zum Verkauf anbieten.
Unterstreichen die Leica-Auktionen und das klare Bekenntnis zu Vintage-Produkten den Nimbus der Marke Leica und wirkt sich das auch auf den monetären und/oder ideellen Wert einer aktuellen Kamera aus?
In unseren Leitz-Auktionen werden ganz unterschiedliche Marken und Fabrikate angeboten, den größten Anteil machen jedoch historische Leicas aus. Hier haben wir in den letzten Jahren auch eine kontinuierliche Steigerung der Nachfrage und die größten Preissteigerungen erlebt. Die hohen Auktionsergebnisse, die Leica Kameras bei unseren Auktionen immer wieder erzielen, unterstreichen den Hype der Kultmarke Leica.
Rund 100.000 Euro werden heute für einen Volkswagen-Bus T1 aufgerufen, rare Leica M-Kameras erzielen bei Auktionen häufig sogar deutlich höhere Preise, ganz besondere Prototypen – wie wir heute wissen – gar zweistellige Millionenbeträge. Ist der Wertzuwachs einer Leica planbar oder ist das Sammeln eher eine Leidenschaft mit der Chance auf einen Hauptgewinn?
Einige Leica-Modelle erzielen bei unseren Auktionen signifikante Preissteigerungen, manchmal werden sogar unsere Schätzpreise um ein Vielfaches überboten. Verstärkt wird dieses Phänomen durch die niedrige Verzinsung von Sparbüchern und die damit verbundene verstärkte Nachfrage der Konsumenten nach Sachwerten. So gesehen besteht also eine realistische Chance für einen kontinuierlichen Wertzuwachs, von einer Planbarkeit würde ich jedoch nicht sprechen wollen. In unserem Online-Store gibt es die Produktkategorie „Investment Grade“. Hier zeigen wir Produkte, die über die letzten zehn Jahre eine deutliche Wertsteigerung erfahren haben.
Unterscheidet sich die Sammlerleidenschaft für Kameras von der für andere begehrenswerte Objekte, etwa für Uhren oder Classic Cars?
Es liegt im Instinkt des Menschen schöne und seltene Dinge besitzen zu wollen. Ich glaube, die Leidenschaft dazu ist immer eine ähnliche und unabhängig von dem, was man sammelt.
Kunden, die eine Kamera im Umfeld von Auktionen – oder im Vorfeld auf Kamerabörsen – kaufen und/oder verkaufen, sind das eher Liebhaber und Sammler, oder doch Börsenmakler?
Ich glaube nach wie vor, dass es vorwiegend Liebhaber und Sammler sind. Es gibt nur wenige Spezialisten, die über das Fachwissen verfügen, eine Kamera als Investitionsobjekt zu erwerben.
Spielt der Gedanke der Nachhaltigkeit eine Rolle beim Engagement von Leica im Vintage-Markt?
Leica steht für Zuverlässigkeit, Langlebigkeit und dauerhafte Produkte. Nachhaltigkeit ist und war schon immer unser Anspruch!
Abgesehen von der Ur-Leica – für viele der Heilige Gral der Fotografie –, für welches Modell würden Sie bei einer Auktion gerne den Zuschlag bekommen?
Eine Leica MP Schwarzlack, sie ist für mich das Sinnbild für Leica schlechthin!
Auf der photokina in Köln stellte Leica 1956 die erste MP vor, nach Ansicht von Experten weit mehr als nur eine modifizierte Variante der M3. Gerade einmal 412 Kameras wurden produziert, darunter nur 141 mit schwarzer Lackierung, die hauptsächlich von Berufsfotografen erworben worden seien – auch sie kam während der 40. Leitz Photographica Auktion unter den Hammer. „Die Leica MP ist eine der wichtigsten Leica-Kameras und diejenige, mit der der Trend zu schwarz lackierten M-Kameras begann, die heute von Profis benutzt und von Sammlern geliebt werden“, urteilen die Experten des Auktionshauses.
Nun mag man spekulieren, ob es wirklich eine gute Idee ist, in gesellschaftlich und politisch unruhigen Zeiten sein Kapital weg von der Börse oder Immobilie in „bleibenden Werten“ anzulegen, und ob eine Kamera, eine Uhr oder ein Classic Car wirklich dazu gehören. Bei diesen Objekten sprechen wir vornehmlich vom Sammeln aus Leidenschaft, mit der Chance auf einen gewissen Wertzuwachs. Wer nach Sachwerten als Kapitalanlage sucht, der landet wohl eher bei Gold. Im Gegensatz zu einer gewissen Kalkulierbarkeit der Börse, folgt der Sammlermarkt nämlich deutlich emotionalen Wendungen. Ist ein Objekt begehrt, erzielt es Rekordergebnisse, wenn nicht, bleiben diese aus. Und die tatsächliche Nachfrage ist schwer vorherzusagen.
Zum Beispiel erfahren schwarzlackierte, seltene M-Leicas aktuell einen enormen Hype. Ihre Auktionserlöse sind zwar noch weit von den siebenstelligen Ergebnissen der wenigen verbliebenen Modelle aus der 0-Serie entfernt, doch vier bis fünf Nullen hinter der ersten Ziffer scheinen derzeit realistisch. Ganz anders sieht es nach wie vor für schwarzlackierte Leicaflex-Modelle aus. Sie sind nach Einschätzung von Leitz Photographica Auction aktuell eher unterbewertet.
Also stürzen wir uns genau darauf? Der Plan kann aufgehen, aber in der Leidenschaft des Sammelns müssen die Akteure eben auch eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringen, wenn sich ihre Investition am Ende nicht monetär auszahlt. Vorsicht sei laut Leica gerade beim Kauf wartungsintensiver Kameras wie etwa alter Schraubleicas geboten. Wer sicher sein will, dass seine Vintage-Kamera auch funktioniert, erwirbt sie am besten direkt im Leica Store, wo die Modelle vor dem Verkauf geprüft und gegebenenfalls instandgesetzt werden.
Bei vielen ernsthaften Sammlern steht die Leidenschaft für das Produkt im Vordergrund.
Und wenn in eine Vintage-Kamera investiert werden soll, ist eine Leica sicher die beste Anlage, da sind sich die Akteure einig. Es sind ihre Wertbeständigkeit und Nachhaltigkeit, die diese Produkte auszeichnen.
Hinzu kommt das klare Bekenntnis Leicas zu diesem Markt und der besondere Beitrag an der Geschichte der Fotografie, der Leica zu Recht zugeschrieben wird. Mit der Konzentration auf die Kleinbildfotografie hat Leica die Geschichte der Fotografie entscheidend bestimmt, einen neuen Umgang mit dem Medium überhaupt erst ermöglicht und mit der Praktikabilität und Verbreitung seiner Produkte die Voraussetzung für zahlreiche Ikonen der Fotografie geschaffen, die unser visuelles Gedächtnis entscheidend geprägt haben.
Fotos: Leitz Photographica Auction
Text: Tobias F. Habura-Stern / LFI Leica Fotografie International